Steuerzinsen sind verfassungswidrig - Handlungsbedarf für den Gesetzgeber bis 31. Juli 2022
Update: BMF-Schreiben vom 17. September 2021 zur Festsetzung von Zinsen nach §§ 233a bis 237 i.V.m. § 238 Absatz 1 Satz 1 AO
Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 17.9.2021 - Az. IV A 3 – S 0338/19/10004 :005 bekanntgegeben, wie nunmehr mit der Festsetzung und Aussetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO sowie mit Einspruchsfällen in der Praxis zu verfahren ist.
Für Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 ist entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts das bisherige Recht weiter anwendbar (Fortgeltungsanordnung).
Für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 gilt eine sog. Anwendungssperre. Gerichte und Verwaltungsbehörden sind danach angehalten keine Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach §§ 233a i.V.m. § 238 Absatz 1 Satz 1 AO mehr festzusetzen und laufende Verfahren sind insoweit auszusetzen. Die Anwendungssperre gilt nicht für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungs- sowie Prozesszinsen.
Nachholung der Zinsfestsetzung
Die ausgesetzte Zinsfestsetzung ist nachzuholen, soweit und sobald die Ungewissheit durch eine rückwirkende verfassungsgemäße Neuregelung für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 beseitigt ist (§ 165 Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO), wozu der Gesetzgeber bis zum 31. Juli 2022 verpflichtet ist.
Unanfechtbare Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019
Wurden hingegen für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 bereits Steuerzinsen auf der Grundlage von § 233a i.V.m. § 238 Absatz 1 Satz 1 AO festgesetzt und sind diese Zinsfestsetzungen unanfechtbar, sind diese weder aufzuheben noch zu ändern.
Geänderte oder berichtigte Zinsfestsetzungen nach § 233a AO
Für Verzinsungszeiträume bis zum 31. Dezember 2018 ergeht die Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 165 Absatz 2 Satz 2 AO endgültig. Ergeht eine geänderte oder berichtigte Zinsfestsetzung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 sind diese im Umfang der betragsmäßig neu festzusetzenden Zinsen nach § 165 Absatz 1 Satz 4 i.V.m. Satz 2 Nummer 2 i.V.m. § 239 Absatz 1 Satz 1 AO auszusetzen und für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 nach § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 i.V.m. § 239 Absatz 1 Satz 1 AO vorläufig festzusetzen.
Einspruchsfälle
Die Finanzverwaltung positioniert sich im o.g. BMF-Schreiben auch dazu, wie mit zulässigen Einspruchsfällen unter Berufung auf die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes zu verfahren ist. Hinsichtlich der Verzinsungszeiträume bis 31. Dezember 2018 ist der Einspruch -gegebenenfalls durch eine Teileinspruchsentscheidung -als unbegründet zurückzuweisen. Für Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 ist die Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen grundsätzlich auszusetzen bzw. vorläufig festzusetzen. Soweit dies nicht erfolgt ist das Einspruchsverfahren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zur rückwirkenden Gesetzesänderung auszusetzen.
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