Bei der Vergabe von für in der Praxis oftmals unbesicherte und nachrangig zu bedienenden Gesellschafterdarlehen
steht stets neben der steuerlichen Anerkennung des Darlehensvertrags die Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes im Vordergrund. Dies ist nicht zuletzt deswegen relevant, da der Zinssatz eines Gesellschafterdarlehen gerne in Betriebsprüfungen aufgegriffen wird. Die Betriebsprüfung orientiert sich hier zur Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes gerne an dem Zinssatz eines anderweitig gewährten besicherten und vorrangig zu bedienenden Bankdarlehen (interner Preisvergleich). Oftmals wird daher in Betriebsprüfungen argumentiert, dass der vereinbarte (höhere) Zinssatz der Höhe nach nicht angemessen und fremdüblich sei. In Höhe der nicht angemessenen Differenz wird daher von einer verdeckten Gewinnausschüttung ausgegangen, die das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen erhöht.
Der BFH
hat sich mit seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 18.05.2021 - Az. I R 62/17
zur Ermittlung eines fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen positioniert, welches nachfolgend kurz zusammengefasst werden soll.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine inländische GmbH, nahm zur Finanzierung eines Anteilskaufs sowohl ein Gesellschafterdarlehen, ein Verkäuferdarlehen als auch ein Bankdarlehen jeweils zu unterschiedlichen Konditionen auf. Das vollständig nachrangige Gesellschafterdarlehen ihrer Alleingesellschafterin war mit 8% p.a. verzinst, die endfällig mit Ablauf des Darlehensvertrags nach einer Laufzeit von 9,5 Jahren zu entrichten waren. Sicherheiten waren keine vereinbart. Die Alleingesellschafterin wiederum refinanzierte das Gesellschafterdarlehen ihrerseits ebenfalls durch Gesellschafterdarlehen zu vergleichbaren Konditionen. Darüber hinaus erhielt die Klägerin ein besichertes Bankdarlehen mit 4,78% p.a. verzinst und einer Laufzeit von ca. 5 Jahren sowie seitens des Verkäufers ein unbesichertes Verkäuferdarlehen, welches mit 10% p.a. verzinst war, gegenüber dem Bankdarlehen nachrangig zu bedienen war und eine Laufzeit von ca. 6 Jahren hatte.
Das Finanzamt vertrat vorliegend die Auffassung, dass ein Zinssatz von 5 % als angemessen zu erachten sei und in Höhe der Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8 % eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gegeben sei. Die Fremdüblichkeit leitete das Finanzamt aus dem Zinssatz für das Bankdarlehen ab. Das FG Köln (FG Köln vom 29.06.2017 – 10 K 771/16) folgte in erster Instanz der Auffassung des Finanzamts und sah in der gesetzlich angeordneten Nachrangigkeit des Gesellschafterdarlehens im Insolvenzfall (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sowie der fehlenden Besicherung des Darlehens keine Grundlage für einen zusätzlichen Zinsaufschlag. Auch eignete sich nach Ansicht des FG Köln das Verkäuferdarlehen nicht als Vergleichsmaßstab, da die Höhe dieses Zinssatzes durch die Interessenlage entweder des Verkäufers oder der Käuferin an einer nicht sofortigen Zahlung des Kaufpreises beeinflusst sein kann bzw. zur Kompensation eines niedrigeren Kaufpreises vereinbart worden sein kann.
Entscheidung des BFH
Der BFH urteilte hingegen, dass das besicherte Bankdarlehen nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden könne, da das streitige Darlehen anders als das Bankdarlehen unbesichert und nachrangig gewährt worden sei und es mithin den allgemeinen Erfahrungssätzen widerspreche, dass ein fremder Dritter ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen zum gleichen Zinssatz ("Preis") gewährt hätte.
Auch der Auffassung des FG Köln, dass die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit des Gesellschafterdarlehens sowie, dass die Klägerin über ausreichende Substanz verfüge, keine Rechtfertigung für einen Risikozuschlag sei, vermochte der BFH nicht folgen. Aufgrund des bei der Beurteilung der Fremdüblichkeit gebotenen Wegdenkens eines „Nahestehen“, sei doch vielmehr davon auszugehen, dass ein fremder Dritte eine Nachrangigkeit seines Darlehens nur „freiwillig“ akzeptieren würde, wenn dieser für diesen Nachteil einen finanziellen Ausgleich erhalte. Auch hänge ein Ausfallrisiko wesentlich von der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Darlehensnehmers ab, sodass bei der Festlegung des Zinssatzes und der sonstigen Kreditbedingungen nicht auf die aktuelle Situation abzustellen sei, sondern vielmehr zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren seien. Aufgrund der ohnehin bestehenden Nachrangigkeit und fehlenden Besicherung des Darlehens, liegt es nahe, dass für die Überlassung des Darlehens ein höherer Zinssatz aus Sicht eines fremden Dritten gefordert werde als im Vergleich zu einem unbesicherten Darlehen.
Hinweise des BFH für das FG Köln zur Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes
Soweit das FG beabsichtigt zur Bestimmung des fremdüblichen Zinssatzes die (interne) Preisvergleichsmethode
anzuwenden, weist der BFH darauf hin, dass die Anwendung voraussetzt, dass „der zu beurteilende Preis einerseits und der als Maßstab anzulegende Vergleichspreis andererseits auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen“ müsse. Wenn spezielle Umstände gegeben seien, „die im Verhältnis zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen eine abweichende Preisgestaltung veranlassen würden“ und diese im Vergleichspreis noch nicht berücksichtigt seien, sei der interne Preisvergleich nur einschränkend aussagefähig. Von solchen speziellen Umständen ist bei Nachrangigkeit und fehlender Besicherung eines Darlehens auszugehen. In diesen Fällen ist es bei Anwendung des internen Preisvergleiches nach Auffassung des BFH erforderlich den (internen) Vergleichspreis durch entsprechende Anpassungen auf die konkret zu beurteilende Leistungsbeziehung zu adjustieren.
Auch sei vorliegend durchaus neben dem Bankdarlehen das von einem fremden Dritten gewährte Verkäuferdarlehen mit in den Preisvergleich einzubeziehen. Darüber hinaus könne ein Vergleichspreis durch externen Preisvergleich
hergeleitet werden, sofern ein solcher Markt für nachrangige Kredite vorhanden sei, „auf dem fremde Dritte bereit seien, gegen Zahlung eines Zinszuschlages zur Kompensation eines höheren Ausfallrisikos, unbesicherte Nachrangdarlehen zu gewähren“.
Hinweis für die Praxis
Mit seinem Urteil erteilt der BFH der gängigen Praxis in Betriebsprüfungen einen „Dämpfer“, indem er klarstellt, dass ein Fremdvergleich nicht zwingend alleinig auf einem Bankenvergleich beruht. Vielmehr sind die fehlende Besicherung und die Nachrangigkeit von Darlehen als spezielle Umstände bei der Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes über entsprechende Zinszuschläge zu berücksichtigen.
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das BFH-Urteil reagiert bzw., wie nunmehr in Betriebsprüfungen hiermit umgegangen wird. Allerdings bietet das BFH-Urteil für den Steuerpflichtigen eine Diskussionsgrundlage einen höheren Zinssatz für nachrangige und unbesicherte Gesellschafterdarlehen zu rechtfertigen, ohne, dass gleich eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen ist.